FENCES
Interview mit Denzel Washington
Wann und wie sind Sie auf das Werk von August Wilson aufmerksam geworden?
Ich sah „Ma Rainey’s Black Bottom“, als es 1984 aufgeführt wurde, und erinnere mich noch gut an die hervorragenden Schauspieler. Charles Dutton war in seiner Rolle als Levee besonders umwerfend. Ich hatte noch nie von ihm gehört. Also recherchierte ich und fand heraus, dass er im Gefängnis saß und dort mit der Schauspielerei begonnen hatte. Danach besuchte er die Yale Drama School. Ich erinnere mich an diesen Theaterabend, weil er mich erstaunt und bewegt hat. Als ich das Stück sah, wusste ich aber nichts über August Wilson. Ich ahnte auch nicht, dass er noch all diese großartigen Stücke schreiben würde. Aber seine Worte kamen mir auf Anhieb sehr vertraut vor.
Wann haben Sie August Wilson kennengelernt?
Ich habe ihn getroffen, aber nicht allzu gut kennengelernt. Ich verbrachte einen wunderbaren Tag mit ihm, irgendwann in den frühen 2000er-Jahren. Ich flog nach Seattle, wo er damals lebte. Es regnete den ganzen Tag. Er rauchte eine Zigarette nach der anderen und schrieb. Das war die Zeit, als er sein vorletztes Stück, „Gem of the Ocean“, schrieb. Mein Agent schlug vor, ich solle ihn besuchen. Also machte ich mich auf den Weg und wir redeten den ganzen Tag. Er erzählte mir, wie er seine Stücke schreibt. Er schloss die Tür und die Fenster und schrieb alles auf, was die Figuren ihm befahlen. Er sagte zu mir: „Ich schreibe das nicht für dich oder für mich. Ich schreibe nur, wozu man mich zwingt.“ Ich erinnere mich sehr gern an diesen wunderbaren Tag.
August Wilson starb 2005. Er hatte zu diesem Zeitpunkt alle zehn Stücke für seinen Zyklus beendet. Aber er konnte nicht mehr miterleben, wie das Drehbuch für FENCES verfilmt wurde. Spürten Sie deshalb eine besondere Verpflichtung ihm gegenüber, diesen Film zu drehen?
Nein. Ich fühlte mich ihm gegenüber eh verpflichtet. Ich brauchte keine zusätzliche Motivation.
Woher kam diese Motivation?
Sie kam aus dem Stoff selbst. Und von August. Ich habe versucht, August und seinem Werk gerecht zu werden. Ich fühlte mich verpflichtet, die Sache nicht zu vermasseln. Sobald Zweifel aufkamen, hielt ich mich streng an die Quelle. So ein Drehbuch enthält 25.000 Wörter, davon stammen 24.900 von August Wilson. Ich habe hier und da vielleicht eine Zeile ergänzt, aber alles in allem sind es Augusts Worte, die man in diesem Film hört.
August Wilson zählt zweifellos zu den größten Autoren der Weltgeschichte. Und doch wird dieser Film für viele Leute der erste Berührungspunkt mit Wilson sein. Welche Lehre sollen sie im Idealfall aus diesem Film ziehen?
Was die Leute mitnehmen, hängt immer davon ab, was sie bereits mitbringen. Ich weiß, dass der Film sie unterhalten und erleuchten wird. Ich weiß, dass sie tolle Schauspieler in Höchstform sehen werden. Und sie hören eine Sprache, die sie vorher vielleicht noch nie in einem Film gehört haben, die ihnen aber trotzdem bekannt vorkommt. Dieser Rhythmus, diese Musik.
Sie waren bei diesem Projekt Hauptdarsteller, Regisseur und Produzent. Wie konnten Sie sicher sein, dass Sie jede dieser drei Aufgaben optimal ausfüllen?
Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mir zusätzliche Arbeit aufbürde. Ich hatte ja auch den Vorteil, dass ich das Theaterstück schon viele Male gespielt habe. Ich musste nicht in der Nacht vor dem nächsten Drehtag die Texte lernen. Manchmal musste ich vielleicht ein paar Zeilen auffrischen. Wenn man mitten in der Arbeit steckt, denkt man gar nicht daran, ob es zu viel werden könnte. Man macht es einfach. Ich habe in der Nacht zwei, manchmal drei Stunden geschlafen, wachte auf und ging zur Arbeit.
FENCES spielt im Jahr 1957, das Ende ist im Jahr 1965 angesiedelt. Welche Botschaft hat der Film für Menschen in der heutigen Zeit?
Malcolm X hat gesagt: „Um zu wissen, wohin man geht, muss man wissen, woher man kommt.“ Wir müssen uns mit unserer Geschichte auseinandersetzen. Wir müssen die Kämpfe, die wir ausgetragen haben, und die Opfer, die erbracht wurden, um unser heutiges Leben zu erreichen, würdigen.
Welche Gefühle soll der Film bei den Zuschauern wecken?
Ich will den Leuten nicht vorschreiben, was sie fühlen sollen. August Wilson hat ein Meisterwerk geschrieben, und nur Gott weiß, was es bei den Menschen auslöst. Darin liegt auch der Reiz. Man betritt das Theater, setzt sich hin und lässt sich überraschen, was passiert. Ich bin froh, dass „Fences“ jetzt eine große Zahl von Menschen erreicht. Ich weiß, dass das Stück oft an Schulen gelesen wird. Viele Kinder und Jugendliche dürften es heute besser kennen als unsere Generation. Es ist eine große Ehre, aber zugleich auch Verantwortung, August Wilsons Worte bekannter zu machen. Durch den Film finden viele Menschen heraus, warum August Wilson einer der größten Dramatiker ist. Wir haben Tennessee Williams, Arthur Miller, Eugene O’Neill, Edward Albee – und wir haben August Wilson. Ich bin glücklich, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann, seine Brillanz in der Welt bekannter zu machen.
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